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Auf der Isla del Sol im Titicaca See

Fotos und Text © Markus Mathys 2002

Früh morgens wartet das kleine Kursschiff unten am Hafen von Copacabana am Titicaca See um abzulegen auf die Isla del Sol, auf Deutsch soviel wie Sonneninsel. Die Fahrt auf die Insel draussen im See gelegen, dauert eine gute Stunde. Von Copacabana aus ist diese mythische Insel, verehrt von den Inkas als Geburtsort der Sonne, des ersten Inkas, Manco Capac und dessen Frau bzw Schwester per Schiff einfach erreichbar. Wer sich Zeit nimmt hat hier die Möglichkeit einer unvergesslichen Wanderung. Auf dem Höhenweg über die Sonneninsel im Titicaca See. Wie das Boot am Süden beim Anleger von Yumani anlegt, geht's an Land. Gesprochen wird hier auf der Insel immer noch Aymara, vielfach sprechen die Frauen kein oder nur sehr wenig Spanisch. Die Wanderung beginnt hier unten am Bootsanleger von Yumani im Süden der Insel. Die von Eukalyptusbäumen beschattete Inkatreppe, die schnurgerade vom Anleger unten am See, hinauf auf die etwa 250 m hohe Insel führt, kann einem ganz schön ausser Atem bringen. Zu bedenken ist, dass man sich oben auf der Insel auf ca. 4000müM. befindet.

Isla del Soll - Bolivien
Blick von der Isla del Sol auf den Titicacasee - Bolivien

Die ersten Blicke auf den tiefblauen See sind kaum zu beschreiben. Diese Weite, die klare, dünne Luft, die Ruhe und Stille strahlen eine magische Wirkung aus, dem sich kein Besucher entziehen kann. Die Wanderung auf dem Höhenweg führt mich über die ganze Insel, bis hinauf in den Norden nach Cha'llapampa. Die Blicke auf den See, der 14 mal so gross ist wie der Bodensee, anders gesagt ein Fünftel der Fläche der Schweiz einnimmt, zur rechten Hand die schneebedeckten 6-Tausender der Königskortillere, einfach fantastisch! Man kann sich kaum satt sehen. Für mich ist diese Insel einer der beeindruckensten Orte, den ich je in meinem Leben besuchen durfte. Die Geschichten erzählen, dass eben dieser Manco Capac, der als erster Inka und somit als Gründer des Inkareichs in die Geschichte eingegangen ist, zusammen mit seiner Schwester oder Frau, so genau weiss das niemand mehr, hier geboren wurde. Von da haben sich die Beiden anschliessend in Richtung Cuzco aufgemacht, um dort das Reich der Inkas zu gründen. Nach dem Namen der Insel zu schliessen, hat auch die Sonne das Licht der Welt hier erblickt. Mythen und Geschichten rund um die Sonneninsel, von denen die ganze Gegend reich gesegnet ist, die sicherlich auch den Reiz ausmachen hier zu reisen. Wie ich da ganz oben auf dem Höhenweg alleine, mitten auf der Insel stehe. Um mich rundum das Andenmeer, wie der See auch genannt wird. Kommt das Gefühl in mir auf, der Sonne noch nie im Leben so nahe gestand zu haben wie hier oben auf über 4000 m. ü. M., auf der Isla del Sol. Es erscheint nun auch klar, weshalb die alten Inkas davon ausgegangen sind, der Geburtsort der Sonne müsse hier liegen. Hat man dieses Panorama nicht selbst gesehen, so fällt es schwer sich dies vorzustellen. Rundum der blaue See, die schneebedeckten Berge, die winzig, kleinen Boote, die auf dem See verkehren, und der blaue Himmel, ergeben zusammen ein wahres Spektakel der Natur. Da sich zur Zeit der spanischen Kolonisation die Insel weder für eine Hazienda, da kaum ebenes Land für Landwirtschaft vorhanden ist eignete. Auch waren keine Mineralien für eine Mine auffindbar. Wirtschaftlich war die Insel in den Augen der Spanier somit uninteressant und nutzlos. Dadurch konnte das ursprüngliche, traditionelle Leben erhalten bleiben. Bis heute gibt es keine Autos, das einzige Motorengeräusch, dass auf der Insel zu vernehmen ist kommt, von Schiffsmotoren. Traditionen werden hochgehalten, wie die Einwohner beim durchqueren von Cha'lla, einem kleinen Dörfchen am Seeufer gelegen, erklären. Gemeinsam im Tagewerk, Faena genannt hier auf der Insel, erstellen sie die Dorfstrasse neu.

Strassenbau auf der Isla del Sol im Titicacasee
Strassenbau auf der Isla del Sol im Titicacasee

Mit Pickel und Schaufel werden die Steinplatten neu ausgerichtet. Niemand wird dafür bezahlt, wie auch niemand dafür etwas erhält, dies ist ein Dienst der Dorfgemeinschaft gegenüber. Stolz erlauben sie mir ein Foto zu machen davon, muss ihnen jedoch versprechen ein Abzug davon auf meiner nächsten Reise vorbeizubringen. Nur dank solchen Faenas ist es möglich zu leben und zu überleben hier auf der Insel. Ähnlich werden auch die unzähligen, Terrassen an den Hängen der ganzen Insel erstellt, bewirtschaftet und instand gehalten. Diese Form von gemeinsamer Arbeitsteilung ist ein Relikt noch aus Zeiten vor den Inkas und bietet Grundlage für ein Überleben in diesen Höhenlagen. Begeistert vom Leben hier verbringe ich zwei wundervolle Tage auf der Isla del Sol. Während denen es weder Zeit zu gewinnen noch Zeit zu verlieren gibt, auch scheint, dass man hier keine Zeit vergeuden kann. Solche Dinge sind den Inselbewohnern zur Zeit noch völlig fremd. All das sind europäische Gepflogenheiten, die auf den amerikanischen Doppelkontinent exportiert wurden. Hier wird das so richtig bewusst. In den letzten Jahren ist jedoch auch auf der Isla del Sol der Bauboom ausgebrochen. Am schlimmsten ist es in Yumani, im Süden der Insel, hier erschrecke ich über die Veränderungen seit meinem ersten Besuch vor drei Jahren. Viele Hotels sind entstanden, so muss befürchtet werden, dass was die spanische Gier nach Gold übrig lies, nun durch den internationalen Massentourismus zerstört wird. Auf der anderen Seite haben auch die Bewohner der Isla del Sol das Recht auf Fortschritt, Entwicklung und ein bescheidenen Wohlstand. Ein Teil des Kuchens des Tourismus steht auch ihnen zu. Hoffentlich gelingt es, das sie es in geordnete Bahnen lenken können und ihre Heimat nicht an irgendwelche westliche Geldgeber verkaufen. Wünsche ihnen hiermit alles Glück der Welt, dass es klappen mag und die Insel nicht mit Hotelburgen übersäht wird. Nach zwei weiteren Stunden zu Fuss auf dem Höhenweg ist das Fischerdörfchen Cha'llapampa erreicht. Idyllisch gelegen, am Ufer des Sees in einer kleinen Bucht, die etwas Schutz gegen den kalten Wind bietet. Eine Unterkunft direkt am Ufer erlaubt ein Übernachten hier. Ein Name hat das eben neu erstellte Hotel aus Lehm und Gras erbaut noch nicht. Als Lichtquelle in der Nacht dient eine Kerze. Für eine Nacht schläft man herrlich hier draussen, in der Abgeschiedenheit von Cha'llapampa. Kaum ist die Sonne über dem See aufgegangen wird das Frühstück zubereitet, Eier, Brot und Tee dienen als Stärkung für die Rückwanderung, die über die Strände, durch die Dörfer zurück nach Yumani führt.

Esel auf der Isla del Sol in Bolivien
Auf der Isla del Sol im Titicacasee / Bolivien

Zu beobachten ist, wie die Bauern ihre Felder erstellen für die Kartoffelaussaat. Alles geschieht in Handarbeit. Die Frauen sind verantwortlich, dass die Kuh-, Esel-, Geissen-, Schaf- und Lamaherden auf die Felder kommen. Viel Grünes gibt es nicht auf den terrassierten Feldern der Insel, somit sind sie gezwungen, oft grosse Strecken zu gehen, um die Tiere satt zu bekommen. Zwei Tage zu Besuch in einer anderen Welt, auf der Isla del Sol im Titicaca See von Bolivien haben mich tief beeindruckt.