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Bei den Aguaticos, wandern auf Kuba

Fotos und Text © Markus Mathys 2002


Tal von Viñales / Kuba

Wolken ziehen über die Mogotes, den bizarren Kalksteinformationen, die das Tal von Viñales so einmalig erscheinen lassen, gelegen im Osten der Zuckerinsel, wie Kuba auch genannt wird. Etwas ausserhalb von Viñales erwartet mich Lionel, ein bekannter meiner Gastfamilie. Da er nicht vom Staat autorisiert ist als Touristenführer, müssen wir uns ausserhalb des Dorfes treffen. Für Kubaner ist es unter Strafe verboten sich mit Touristen zu unterhalten, mit ihnen Ausflüge zu unternehmen oder sie im Auto mitzuführen. Was natürlich gleichwohl gemacht wird, da mit einem durchschnittlichen Stundenlohn von einem kubanischen Peso für normale Angestellte niemand mehr überleben kann auf Kuba. Umgerechnet in Schweizerfranken, oder besser in Schweizerrappen sind dies, ca. 5 Rappen pro Stunde. Lionel, hat mich eingeladen mit ihm die Aguaticos in den Bergen zu besuchen. Diese Einladung wird nun heute eingelöst. Die Fusswege durch die Äcker und Felder rund um Viñales sind allesamt durch den nächtlichen Regen aufgeweicht. So passt sich die Farbe der Hosen und Schuhe bald mal der Umgebung an.


Tabakbauer auf Kuba

Nach kurzem treffen wir auf den ersten Tabakbauer, der mit zwei Ochsen seinen Acker für die Aussaat der Tabaksetzlinge bearbeitet. Die vorgezogenen Tabaksetzlinge werden von Mitte November an in die rote, frisch gepflügte Erde gepflanzt. Die Region hier um Viñales und Pinar del Rio hat den Ruf als das weltweit beste Tabakanbaugebiet. Hier wächst das Rohmaterial für die weltberühmten, kubanischen Zigarren. Auf fast jeder Parzelle sind die Trockenschuppen zu sehen, wo die geernteten Tabakblätter zum trocknen aufgehängt werden. Unter ständigem zurufen versucht der Tabakbauer die zwei Ochsen vor dem Pflug anzutreiben. Doch wie es scheint bewegt sich auch ein kommunistischer Ochse nicht schneller als unbedingt erforderlich. Über die Mogotes vom Meer her ziehen schwarze, dicke Regenwolken, nicht lange und es prasselt vom Himmel. Dicke, schwere Tropfen fallen auf die rote, frisch gepflügte Erde. Unter einem Unterstand mitten auf dem Tabakfeld, der offenbar für solche Zwischenfälle gebaut ist, wird der Regen mit süssem, frisch geschnittenem Zuckerrohr ausgestanden. Auch der Tabakbauer begibt sich zu uns ans trockene, nur die zwei Ochsen stehen im Regen und ziehen lange Gesichter. Vom Zuckerrohr will der Tabakbauer nichts wissen, von soviel Süssem werde im nur übel, wie er meint. Wie die Regenwolke, die für diese süsse Pause verantwortlich war, sich ausgeregnet hat, heisst es für die zwei Ochsen zurück auf den Tabakacker und für uns weiter in die Berge hinauf. Überall sind die Schäden vom letzten Hurrikan, der kürzlich über diese Gegend gezogen ist, noch gut zu sehen. Geknickte Palmen und umgeworfene Bäume. Wie kaum die ersten Sonnenstrahlen zwischen den Wolken auf die nassen Äcker scheinen, erheben sich auch schon die ersten Truthahngeier in die Luft. Wo gepflügt wird versammeln sich die aus Spanien eingeschleppten, schneeweissen Kuhreiher auf der Suche nach Würmer und Insekten. Das Wetter bessert sich fast mit jeder Minute. Die kräftig, grünen Königspalmen, die teils in Gruppen, teils als Einzelbäume die Landschaft charakterisieren wie kaum eine Pflanze auf Kuba, geben ein wunderschönes Bild ab.


Viñales / Kuba

Gegen Mittag wird eine Kalksteinhöhle erreicht. Lionel bastelt aus Ästen, alten Getränkedosen, Stofffetzen und Benzin Fackeln. Alles Wertvolle unterhalb der Gürtellinie kommt in den kleinen Tagesrucksack. Wie die Fackeln in Flammen stehen machen wir uns auf ins schwarze Innere der Kalksteinhöhle. Im schwachen Licht der Fackeln sind die zahlreichen Stalaktiten und Stalagmiten gut zu erkennen. Vorsichtig geht's vorwärts, immer tiefer ins Wasser, eine geheimnisvolle Stille breitet sich aus. Die Anweisungen von Lionel und das Tropfen sind die einzigen Geräusche, die noch zu vernehmen sind. Die Fledermäuse an der Decke, die gerade Tagruhe halten, lassen sich durch unseren Besuch nicht stören. Nach 150 m wird das Wasser so tief, dass wir uns entscheiden Badehose anzuziehen, um ein Höhlenbad zu nehmen. Um noch weiter vorzustossen in die Höhle würde es von jetzt an eine professionelle Ausrüstung mit guten Lampen verlangen. So wird gebadet, die Abkühlung im frischen, klaren Wasser der Höhle genossen, bevor nach einer guten Stunde der Rückweg aus der Höhle angegangen wird. Wie das Tageslicht, die an die Dunkelheit gewohnten Augen blendet, müssen wir uns langsam aber sicher beeilen, sollen die Aquaticos heute noch rechtzeitig erreicht werden. Der Pfad führt durch Felder, über Brücken, die teilweise nur mit einem Baumstamm und einem gespannten Seil darüber konstruiert sind. Immer höher hinauf in die Kalksteinhügel, die Mogotes wie sie hier genannt werden, schlängelt sich der Pfad. Als Verpflegung unterwegs gibt's für den Durst Kokosmilch frisch von der Palme, gegen den Hunger Orangen, Grapefruits und Bananen direkt vom Bauer. Herrlich die frischen Früchte, mit nichts zu vergleichen. Der Weg steigt jetzt steil an, bis nach etwa einer halben Stunde die ersten zwei Häuser der Aguaticos erreicht sind. Aguaticos, auf Deutsch soviel wie Wassermenschen. Vor ca. 100 Jahren haben sich etwa 12 Familien in diese unwegsame, bergige Landschaft zurückgezogen, um hier ihr eigenes Leben nach ihren Vorsätzen zu leben. Der modernen Medizin hatten sie den Kampf angesagt, ihre Medizin war Wasser, nichts als reines, pures Wasser. So kamen sie zu ihrem Namen. Bei jeglichen Gebrechen oder Krankheiten wurde als Medizin nichts anderes als Wasser getrunken und das in rauen Mengen. Nach ihrer Auffassung wäscht das Wasser alle Leiden und Krankheiten aus dem Körper, wenn nur genügend davon getrunken wird. So lebten sie ohne jeglichen Kontakt zu Ärzten über Jahrzehnte hier oben fernab von allem, als Selbstversorger mit viel Wasser. Das änderte sich 1959 mit der Machtübernahme durch Fidel Castro. Dieser hatte Ärzte bis in die entlegensten Winkel des Landes geschickt.

So muss sich auf Kuba seit 1959 bis heute ein jeder Impfen und regelmässig untersuchen lassen, von einem Arzt oder einer Krankenschwester. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so wird er per Polizei ins Spital gebracht und Zwangsuntersucht. Diesem Schritt Castros konnten sich auch die Aguaticos hier oben nicht widersetzen. Bis heute leben sie zwar in den Mogotes über dem Tal von Viñales als Selbstversorger, doch auch hier kommt jährlich einmal eine Krankenschwester auf Besuch um zu impfen und die Bewohner nach ihrem Wohlbefinden zu befragen, die Frauen müssen sich alle drei Jahre frauenärztlich untersuchen lassen. Bei einer der Familien werden wir eingeladen zum Kaffee trinken. Zu sehen ist wie sie immer noch fast vollständig Selbstversorger sind. Selbst der Kaffee der serviert wird kommt aus dem eigenen Garten. Auf was sie besonders Stolz sind, ist die neue Solaranlage im Garten, die sie kürzlich vom Bart, wie Fidel hier genannt wir bekommen haben. Aus Angst vor seinem Regime wagt es kaum jemand den vollen Namen von Fidel Castro ins Maul zu nehmen. Der Strom der Solarzellen reicht für zwei Lampen, die der Nacht nun etwas an Länge abringen. Damit hat auch hier fernab von allem etwas Modernität Einzug erhalten.

Die Aussicht über das Tal von Viñales, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Die vielen Tabakfelder leuchten in der abendlichen Sonne. Einblicke ins bäuerliche Leben, faszinierende Naturerlebnisse und ein Kuba wie es kubanischer nicht sein könnte, das ist was ich heute erleben durfte. Die Sonne hat sich längst vom Tag verabschiedet wie die ersten Häuser von Viñales erreicht werden. Müde und durchnässt, von oben bis unten verschmutzt, werde ich zuhause bei meiner Gastfamilie herzlich empfangen. Den Kleidern und Schuhen wegen solle ich mir keine Gedanken machen, die Nachbarin werde morgen zum Fluss gehen, um zu waschen. Ob ich hungrig sei, das Nachtessen sei in Kürze fertig.


Viñales / Kuba

Dies war ein Tag auf Kuba, einem Land das fasziniert, in seiner Art und Weise unvergleichlich ist auf Erden.