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Unterwegs im Hühnerbus durch Guatemala

Fotos und Text © Markus Mathys 2002

Atitalsee Guatemala
Atitlansee / Panajachel Guatemala

Panajachel, an die vier Stunden Busfahrt von der Hauptstadt Guatemala City weg. Gelegen im Hochland von Guatemala in einzigartig, schöner Landschaft, direkt am Ufer des Atitlansee in mitten erloschener Vulkane. Die Trockenzeit wird gerade von der Regenzeit abgelöst, erste Regenfälle lassen die Natur in einem kräftigen Grün neu erwachen. Alles hier im Dorf am Atitlansee sehr touristisch, zum Einkaufen und Geld ausgeben wie geschaffen. Über 400 Geschäfte und Läden werben um Käufer mit allen erdenklichen Tricks. Für das Touristenherz wie geschaffen, gibt es hier alles zu erstehen was das guatemaltekische Hochland produziert. Von Decken über Webarbeiten bis hin zu Kleidungsstücken und Schmuck. Nach der Besichtigung von all dem, beschliesse ich dem Dorf San Andrés Semetabaj ein Besuch abzustatten. Das Dorf wird fast zu 100% von cak'chiquel Mayas bewohnt. Touristen verirren sich selten in dieses abgelegen Seitental zwischen den Vulkanen am Atitlansee. Nach zwei, dreimal fragen wird geantwortet, dass ganz oben im Dorf beim lokalen Bauernmarkt ein Bus etwa einmal pro Stunde da rauf in die Berge nach San Andrés Semetabaj fahre. Somit geht die Suche nach diesem Bus los, der jedoch bald mal gefunden ist, mitten im Gewühl des wöchentlichen Bauernmarktes hier oben im Dorfe Panajachel.

Reisen im Hühnerbus in Guatemala
Russende Ungeheuer / Guatemala

Da steht das russende Ungeheuer auch schon vor mir. Ein aus den 60er Jahren stammender uralter, gelber buntbemalter Schulbus aus den USA. Der Ayudant, auf deutsch Helfer, derjenige der Fahrpreise einkassiert und lauthals das Fahrziel aus dem Bus schreit, schreit mir gleich zu wo's hingehen soll. Im Bus original Sitze aus den USA, die gemacht waren für Schulkinder, was bedeutet das es nicht möglich ist normal nach hinten zu gehen. Immer ein Bein vor das andere nach, das Kreuzen der Beine im etwa 20 cm schmalen Gang zwischen den Sitzen, schlicht unmöglich. Der Bus ist noch fast leer wie ich einsteige, der Fahrer sitzt nebenan beim Bier und unterhält sich lebhaft mit Kollegen. Nach kurzem erhebt er sich und steigt in den Bus. Dies wirkt wie ein Signal für die überall stehenden oder sitzenden Einheimischen in ihren prachtvoll gestickten Trachten. Der Fahrer startet den Motor, eine dicke schwarze Rauchfahne steigt hinten hoch. Für mehrere Sekunden ertönen die zwei grossen Horne, so dass man sich auf einem Schiff versetzt vorkommt. Aus allen Ecken schleppen Frauen Kinder, grosse Tücher voll mit allem was so auf einem Markt gekauft werden kann, Männer ganze Säcke mit schwarzen Bohnen, Mais und anderes mehr heran. Der Ayudant verrichtet Schwerstarbeit, er ist verantwortlich das alles aufs Dach des Busses kommt. Zum staunen gibt es, wie der mit einem 50 kg schweren Sack Mais auf dem Buckel die senkrechte Leiter hinten am Bus empor steigt. Bei mir drin ist nun auch der letzte Platz belegt.

Frauen in Guatemala
Cak'chiquel-Mayas / Guatemala

Neben mir, eine Indigina (Mayafrau) mit vier kleinen Mädchen, die alle irgendwelche Süssigkeiten mampfen und mich mit ihren kugelrunden, schwarzen Augen von oben bis unten bestaunen. So sitzen wir also zu sechst auf drei Kindersitzen. Über uns ein alter, scheppernder Lautsprecher, hart an der Grenze seiner Belastbarkeit eine alte mariachi Schnulze aus Mexiko von sich gebend. Gegenüber auf der Gepäckablage ein grosser Korb voll mit kleinen, frisch geschlüpften Kücken, die in heftigen Wettstreit mit dem Lautsprecher stehend bibsen und gackern was das Zeug hält. Mir wird jetzt klar, weshalb die Busse die hier in die Berge fahren Hühnerbusse genannt werden. Nun setzt sich das Vehikel langsam in Bewegung, der Ayudant halb draussen in der offenen Tür hängend die Reiseroute am schreien, so dass fast an jeder Wegkreuzung weitere Personen zusteigen. Will jemand ein bzw. aussteigen so wird selbstverständlich auch dafür angehalten, feste Haltestellen sind unbekannt. Die letzten Häuser Panajachels liegen nun hinter uns, dies ist das Zeichen zum einkassieren der Fahrpreise. Mit einem Lachen darüber wie der Ayudant beim kassieren sich nach hinten kämpft, durch all die stillenden Mütter, bezahle ich mein Fahrpreis von Quetzales 1.50, der Landeswährung Guatemalas, umgerechnet etwa 15 Rappen. Dabei wird beobachtet wie er nun langsam aber sicher hinten im Bus ankommt. Da jedoch vorne weitere Fahrgäste zusteigen, somit auch im schmalen Gang zwischen den engen Sitzen jeder erdenkliche Platz belegt ist, kann man sich die Frage stellen, wie kommt der gute bei dieser Menschenmasse im Bus da wieder nach Vorne? Doch staun, der weiss sich zu helfen, mit einem satten, kurzen Aufzug seht er oben auf einer Sitzlehne, so angelt er sich zwischen den vielen nun schon schlafenden Köpfen von einer Sitzlehne zur anderen nach vorne, kassiert nebenbei bei den Nachzüglern den Fahrpreis ein, während vorne der Fahrer alles aus der alten Kiste rausholt, Kurve um Kurve den Berg hoch. Zur Sicherheit ziehe ich mein Kopf ein als er über mir vorbei geht. Die Familie an meiner Seite ist nun auch eingeschlafen, ein Rätsel wie die da schlafen können bei diesem Lärm, und Gequatsche von dem nur hin und da ein paar spanische Zahlenwörter zu verstehen sind. Fast ausnahmslos alle sprechen die zwei Mayasprachen Cak'chiquel und Zutujil, die in dieser Gegend unter den einheimischen Mayas gesprochen werden. So kommt man sich als einziger fremder Fahrgast hier drin schon ein wenig komisch vor, doch ich geniesse es mitten im wahren Guatemala sein zu dürfen.

Im Bus unterwegs durchs guatemaltekische Hochland, immer ein Abenteuer wie ein ganz spezielles Erlebnis.